Pflegende sind oft Reisende. Sie gehen dorthin, wo Not und Mangel herrscht oder wo sie bessere Qualifizierungs- und Berufschancen vermuten. Pflege wird überall gebraucht, dadurch bietet dieser Beruf die Möglichkeit des Wanderns und Entdeckens, birgt aber auch die Gefahr von Enttäuschung und Ausbeutung. Eine historische Untersuchung dieses Phänomens liegt auf der Hand, wenn der Ruf nach Pflegekräften aus dem Ausland wieder einmal lauter wird. Denn der aktuell bestehende Pflegenotstand ist nicht der erste in der Geschichte der Bundesrepublik und des geteilten Deutschlands: Phasenweise flammte der Mangel an qualifiziertem Pflegepersonal auf, und immer wieder begegneten ihm die Akteure des Gesundheitssektors mit der Anwerbung von ausländischen Fachkräften. Die Verbindung von Pflege- und Migrationsgeschichte ist daher dringender denn je, wenn aus Erfahrungen in der Vergangenheit profitiert werden soll.

Hier setzt das Forschungsvorhaben an. Es untersucht die Lebens- und Berufsgeschichten von hauptsächlich weiblichen Krankenpfleger:innen, die seit den 1960er-Jahren aus dem asiatischen Raum und Afrika in die Bundesrepublik oder in die DDR reisten, um dort den Pflegeberuf auszuüben oder zu erlernen. Ziel ist es, ihre Erfahrungen aus einer geschlechtergeschichtlichen Perspektive heraus zu untersuchen; die an ihnen herangetragenen Rollenerwartungen als Frauen und Krankenpfleger:innen in ihrem jeweiligen gesellschaftlichen Umfeld zu betrachten. Im Sinne einer intersektionalen Analyseperspektive werden in die Untersuchung auch andere, ihre Erfahrungen prägende Faktoren einbezogen, so ihre Religion, ihre Klassenzugehörigkeit und rassistische Vorstellungen, mit denen sie umgehen mussten. Die als Arbeitskräfte genutzten Frauen sollen subjektiviert; ihre Lebenswege anstelle ihrer Kosten und ihres Nutzens herausgestellt werden. Gleichzeitig soll nach den Wechselwirkungen zwischen den eigenen Erfahrungen und den Rahmenbedingungen auf politisch-ökonomischer Ebene und in der Pflegearbeit gefragt werden.

Das methodische Instrumentarium speist sich aus der Pflegegeschichte, der historischen und genderbezogenen Migrationsforschung, des deutsch-deutschen Vergleichs und der globalen Verflechtungsgeschichte. Quellen sind archivalische Überlieferungen von Krankenhäusern, ihren Trägern und übergeordneten Organisationen sowie Ego-Dokumente und künstlerisch-museale Auseinandersetzungen mit dem Thema. Einen wichtigen Teil bilden die Kooperation mit Migrant:innenorganisationen und Oral-History-Interviews.